
„Kia orana“ – Weltgebetstag der Frauen auf Kuba
10. März 2025
In Los Palos konnten wir ganz praktisch das vielfältige Gemeindeleben der Presbyterianischen Kirche kennenlernen – zum Weltgebetstag der Frauen am 7. März sowie am Internationalen Frauentag am 8. März.
Blogbeitrag von Peggy Renger-Berka

Ein blaues Tuch mit Blüten und Muscheln liegt bei unserer Ankunft in Los Palos schon im Kirchenraum bereit. Es kündigt den Weltgebetstag der Frauen an, der weltweit jährlich am ersten Freitag im März gefeiert wird. In diesem Jahr kommt die Liturgie von den Cookinseln. Unsere Schwestern in Europa und Asien werden den Gottesdienst bereits gefeiert haben, wenn am Nachmittag die Frauen in bunten Kleidern und mit Blüten im Haar ins Kirchengebäude kommen. Mit „Kia orana“ – Mögt ihr ein langes und erfülltes Leben haben – grüßt sich die Gottesdienstgemeinde.

Wie das hier in einem Ort am äußersten Ende der Provinz Matanzas mit 7.000 Einwohnern klingt, in dem neben alten und neuen Autos, Mopeds, Motorrädern und Fahrrädern, rostende Traktoren und Einspänner mit mageren Pferden das Bild prägen? Wo sich an Straßen ohne Asphalt Felder mit Zuckerrohr und Bananenbäumen anschließen? Wo regelmäßig junge und alte Menschen zur Kirche kommen, um sich ein Mittagessen abzuholen? Anders als in Deutschland, wo der Zugang zu einem ganz anderen Teil der Welt auch über typisches Essen erfolgt, sind überall auf Kuba die begrenzten Möglichkeiten sichtbar. Immer erlebt man zugleich den Erfindungsreichtum und die erfolgreiche Beschaffung des Notwendigen. Denn auch mit Limonade und Butterkeks kann man im Anschluss an den Gottesdienst unkompliziert in Austausch kommen.
Für mich schloss sich mit der Liturgie am Freitag der Kreis zum Gottesdienst der kleinen Quäker-Gemeinde in Havanna-Marianao, den wir eine Woche zuvor besuchen konnten und der sich einen Teil der Liturgie bereits zu eigen gemacht hatte. Weltgebetstag ist eben nicht nur einmal im Jahr, sondern die Botschaft der Frauen klingt weit darüber hinaus.

Für unsere Reise günstig schloss sich gleich am folgenden Tag der Internationale Frauentag an. Von unseren Begleiter*innen des Martin Luther King Zentrums in Havanna wussten wir, dass auch in Los Palos christlicher Glaube nicht an der Innentür der Kirche Halt macht, sondern selbstverständlich ins Gemeinwesen ausstrahlt. Das Netzwerk „Fé por Cuba“ hat auch hier einen Knotenpunkt. Die Kirchen sind auf Kuba zugleich Anlaufstelle für die Minderung materieller Nöte. Deshalb wurden am Vormittag 40 Versorgungspakete gepackt – jeweils eine Tüte Reis, eine Tüte Bohnen, eine Tüte Kaffee und eine Tüte Milchpulver. Genau abgemessen, damit überall gleichviel enthalten ist. Auch das ist eine Erfahrung, die wir an anderen Stellen schon gemacht haben: Es wird alles gleich verteilt. Jede Person erhält dieselbe Anzahl Kekse, Cracker etc. 40 Kostbarkeiten standen nach einer Stunde gemeinsamen Tütenfüllens bereit, um am Nachmittag ihre Besitzer*innen zu finden und eine Familie für mehrere Tage zu versorgen.

Und nach dem Mittagessen kamen sie dann – die Frauen aus Los Palos und Umgebung. Männer mussten ausnahmsweise an der Tür bleiben – diesmal aber nicht an der Kirchentür, sondern an der Tür zu einem großzügigen Gemeindehaus, was die Kommune der Presbyterianischen Kirche für ihre sozial-diakonischen Projekte zur Verfügung stellt. Wir erfuhren bei einem Gespräch mit Frauen aus der Kirchgemeinde, dass auch das Nachbargebäude genutzt wird und Pläne z.B. für die Ausgabe von Kleidung und Medikamenten bestehen. Die lokalen ärztlichen Praxen schicken ihre Patienten bereits jetzt her, weil sie wissen, dass regelmäßig medizinisches Fachpersonal (ehrenamtlich) vor Ort ist und die Menschen mit gespendeten Medikamenten versorgen kann.
Pünktlich 16:00 Uhr begrüßt die Gemeindeleiterin die anwesenden Frauen, eine andere Frau aus dem Leitungsteam spricht den Frauen den starken Satz aus dem Matthäus-Evangelium zu: Ihr seid das Salz der Erde. Und sie meint das ganz elementar: Ohne die fleißigen Frauenhände in den Familien und in der Gemeinde würde nichts funktionieren. Sie fragt in Runde, wer von ihnen die Zeit mit Waschen und Kochen ausnutzt, in der in Los Palos Strom aus der Steckdose kommt. Das sind in manchen Wochen nur 2-3 Stunden am Tag, manchmal auch mitten in der Nacht. Alle nicken zustimmend. Die Frauen hier teilen die Erfahrungen von Mangel und Einschränkungen. Aber sie lassen sich davon den Lebensmut und die Schwesterlichkeit nicht nehmen.

Es geht an diesem Nachmittag nicht um klagen und sich beschweren. Auftanken sollen die Frauen, es sich gut gehen und sich verwöhnen lassen. Und so können die Frauen Tickets ziehen für Fußmassage, Augenbrauen zupfen, Haare schneiden, Maniküre und Pediküre. Schnell werden noch zwei Tische in den Raum gestellt und das beliebte Domino-Spiel in die Mitte gelegt. Irgendwann erklingt Salsa aus einer großen Box. Sofort beginnen einige Frauen zu tanzen. Lachen erfüllt den Raum und eine Fröhlichkeit, die ansteckend ist. Nach 2 Stunden wird Kuchen ausgeteilt und Limonade. Dass Letztere in den Bechern der Christlichen Begegnungstage 2024 in Frankfurt/Oder serviert wird, ist einerseits ein witziger Zufall, weil eine findige Person die Becher vor dem Wegwerfen gerettet hat. Anderseits wird auch hier wieder sichtbar, wie stark Bekenntnis und Tat zusammengehören.

Was mein Kopf schwer zu fassen vermag – diese Freude an der Gemeinschaft, an der Solidarität, an der Schwesternschaft inmitten von deutlich wahrnehmbarer Not – erreicht mein Herz viel schneller. Denn indem wir mit angepackt haben, wo es nötig war, sind wir ganz selbstverständlich Teil einer Gemeinschaft von Christinnen und Christen geworden, die weder auf die Konfession noch auf die Hautfarbe schaut.
Weitere Beiträge und Fotos finden sich in unserem Kuba-Blog sowie über den Instagram-Kanal @weltverantwortungevlks.
