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ensayar el pasado“: ein Versuch, die Geschichte zu erklären


7. März 2025

Mit Ariel Dacal Díaz durften wir über die aktuelle ökonomische Situation auf Kuba sprechen. Seine Analysen konnten wir später beim Besuch verschiedener Projekte und Initiativen in der Praxis nachvollziehen.

Blogbeitrag von Christine Müller

Ariel Dacal Díaz, Historiker, Spezialist für die Themen des Sozialismus

Er arbeitet im Centro Martin Luther King und hat mehrere Bücher zum Thema herausgegeben. Er bezeichnet sich selbst als christlichen Atheist. Ich kenne ihn schon mehrere Jahre. Für mich ist er auch ein exzellenter Philosoph. Ich war gespannt auf seine Analyse, die ich hier leider nicht vollständig wiedergeben kann.

Hotel in Havanna

Manche Zahlen kennen wir bereits:
In den 80er Jahren waren auf Kuba 6% der Bevölkerung arm, in den 90ern 20% und heute sind 40% arm und 10% werden immer reicher. Armut bedeutet kein Zugang zu Nahrungsmitteln, Gesundheit, Bildung, Ausbildung und Kultur.
Die Lebenserwartung sank von 78 auf 70 Jahre, 20% der Bevölkerung ist älter als 60. In der letzten Zeit sind 2,6 Millionen Menschen ausgewandert (18 % der Bevölkerung). Auch im Centro treffen wir Großeltern, die sich um ihre Enkel kümmern, weil die Eltern ihre Kinder verlassen haben.

Kuba befindet sich in einer Krise, wie sie das Land nie zuvor erlebt hat. Es ist unvorstellbar, dass es Kinder gibt, die betteln und Menschen im Müll wühlen.
Für viele ist die Revolution gescheitert. 70% der Lebensmittel werden importiert. Der Staat hat keine Mittel mehr zur Verfügung und gibt nur 3% für die Landwirtschaft aus. Für den Tourismus gibt Kuba 46% der Mittel aus. Ariel bezeichnet die neuen Hotels als Tempel der Ungleichheit.

Damit werden wir uns nie zufrieden geben“ (Zitat Ariel)

Die Verfassung von 2019 hat die Pluralität der Wirtschaftsreformen geöffnet, aber nicht die Pluralität der politischen Diskussionen.

Ariel beschreibt drei Vorstellungen, die es zur Zeit gibt:

1. Die liberale, kapitalistische Idee

2. Die Anpassung an das System mit einigen Veränderungen

3. Die Demokratisierung der Strukturen

Seiner Meinung nach war die Revolution in Kuba auch eine Revolution gegen weltweite Unrechtsstrukturen und gegen die Wirkungen der Vermarktung des Lebens.

Der Sozialismus muss die liberale Demokratie überwinden und noch viel mehr den menschlichen Wert in den Mittelpunkt stellen. Menschen sind wichtiger als Profit.

Wo ist die Revolution in Kuba? Es gibt sie noch. Sucht sie“

Arztpraxis im Stadtteil Marianao von Havanna

… gibt uns Ariel mit auf den Weg. Wir finden sie bei der engagierten Ärztin und ihrer Mitarbeiterin im Stadtteil Marianao, die alles tun, um mit den wenigen vorhandenen Mitteln die Kranken zu betreuen und vor allem Vorsorge leisten. Wir finden sie im Kindergarten und in der Tagesbetreuung alter Menschen.

Und wir finden sie in den liberalen Kirchgemeinden, die ihre Ressourcen für die Armen zur Verfügung stellen und Talente in Musik und Kunst fördern. Sie versorgen die Menschen mit Wasser und Essen. Überall sind es Netzwerke, zu deren Gründung das Centro beigetragen hat, und deren Ehrenamtliche es nun berät und unterstützt.

Boxprojekt im Stadtteil La Marina von Matanzas

In Matanzas gibt es ein Netzwerk von ChristInnen und sozialen Bewegungen (z.B. auch UNICEF), das die soziale und kulturelle Arbeit im ärmsten Stadtteil La Marina initiiert und schon sehr viel geschafft hat. Als wir mit der Koordinatorin und Jugendlichen durch das Viertel gingen rief sie selbst stolz aus: „Das ist La Marina!“.

Auch das ist Kuba.

Weitere Beiträge und Fotos finden sich in unserem Kuba-Blog sowie über den Instagram-Kanal @weltverantwortungevlks.

Ariel Dacal Díaz referiert über die aktuelle ökonomische Situation auf Kuba