Konflikte sind ganz normal – Umgang mit Konflikten zwischen Erwachsenen

Erwachsene

Autorin: Annemarie Müller
freischaffende Trainerin

1. Der Konflikt allgemein1

Konflikte gehören zu unserem Leben wie die Luft zum Atmen. Sie sind alltäglich und kommen bei allen Generationen und Altersgruppen vor.

1.1 Einstieg

Wie das Bild mit den Eseln zeigt, spüren die Esel den Konflikt (straffer gemeinsamer Strick) und suchen eine Lösung, bei der beide ihre Interessen befriedigen können. Anstatt nur sinnlos am Strick zu zerren, was letztlich den Hals zuschnürt, haben sie ein Einsehen, setzen sich hin und überlegen gemeinsam. Dies ist – auch für Esel – ein Idealzustand.

Täglich erleben wir Konflikte. Ohne sie wäre unser Leben langweilig und es käme wenig Neues zustande. Damit sind Konflikte nichts Schlechtes. Erst wenn Gewalt bei der Lösung von Konflikten ins Spiel kommt, werden sie negativ. Deshalb ist es wichtig, wie wir mit Konflikten umgehen.

Ein fairer Umgang in Konflikten gibt allen Konfliktparteien eine Chance sich zu ändern. Zu oft wird der Konflikt mit den beteiligten Personen gleichgesetzt. Dagegen zeigt ein differenzierter Blick auf einen Konflikt, dass die zwei Menschen beispielsweise nur unterschiedliche Ansichten oder Meinungen über eine Sache haben, die nicht zu vereinen sind, oder dass sie beide etwas haben wollen, was es nur einmal gibt.

Aus Angst vor möglichen Verletzungen, vor zu erwartendem Stress, aufgrund fehlender Zeit oder der Gefahr, seine eigenen Positionen in Frage stellen zu müssen, verdrängen wir zu schnell Konflikte. Wir hoffen, sie so nicht lösen zu müssen. Aber nicht bearbeitete Konflikte kommen an unerwarteten Stellen wieder ins Bewusstsein, häufig heftiger als zuvor.

1.2 Konflikttheorie

Um Konflikte zu verstehen, kann es hilfreich sein, sich mit der Theorie zu beschäftigen. Für einen Konflikt gibt es keine einheitliche Definition. Aus unterschiedlichen Sichtweisen erfolgen Beschreibungen des Phänomens.

Nach dem Duden2 kommt Konflikt aus dem Lateinischen und bedeutet soviel wie Zusammenstoß, Zwiespalt, Widerstreit.

Eigenschaften von Konflikten

Die Ursachen für den Zusammenprall sind vielfältig, etwa unterschiedliche Interessen, Denk- oder Wertevorstellungen, knappe Ressourcen, Informationsdefizite, Kommunikations- oder Beziehungsprobleme, aber auch ungleiche Machtstrukturen. Konflikte treten zwischen allen Geschlechtern und in jeder Altersgruppe in allen Regionen unserer Welt auf.

Wenn der Konflikt sich in einer Person abspielt, sie z.B. verschiedene Interessen schwer miteinander vereinen kann, sprechen wir von einem intrapersonellen Konflikt. Davon ist meist nach außen nicht viel erkennbar.

Wenn mindestens zwei Personen oder Gruppen an einem Konflikt beteiligt sind, liegt ein interpersonaler oder sozialer Konflikt vor. Mindestens eine Partei leidet unter dem Konfliktgeschehen. Sichtbar wird der Konflikt meist erst, wenn Aktionen (Überzeugungsversuche oder gar Gewalt) zur Auflösung des Konfliktes eingesetzt werden.

Wir kennen auch Konflikte zwischen wirtschaftlichen oder politischen Systemen oder Staaten, z.B. um Bodenschätze oder politische, religiöse oder wirtschaftliche Einflussnahme, die im schlimmsten Fall zu Gewaltanwendung und Krieg führen können.

Wichtig ist es, den bestehenden Konflikt wahrzunehmen und nicht mit den beteiligten Personen gleichzusetzen.

1.3 Das Eisberg-Modell

Um Konflikte besser zu verstehen und zu lösen, hilft es, das Eisbergmodell nach Christoph Besemer3 genauer anzuschauen.

Der Eisberg liegt mit 7/9 unter der Wasseroberfläche. Diese können bei Konfrontationen großen Schaden auslösen. Ähnlich ist es auch bei Konflikten. Wir sehen nur, dass es knallt – das entspricht dem kleinen Eisberg über dem Wasser. Wir ahnen aber kaum, welche Geschichte der Konflikt bereits hat – unter der Wasseroberfläche. So können wir die extremen Reaktionen kaum einordnen oder wundern uns, warum keiner uns in unserer Konfliktsituation versteht.

Es lohnt sich zu fragen, was „unter dem Wasser“ liegt:

  • Welche Interessen/Bedürfnisse haben die einzelnen Parteien?
  • Welche Gefühle oder Verletzungen spielen eine Rolle?
  • Gab es im Vorfeld schon Beziehungsprobleme/Spannungen?
  • Welches Werteverständnis bringen die Beteiligen mit?
  • Gab es fehlende Informationen, die zu Missverständnissen führten?
  • Wie funktioniert die Kommunikation miteinander?

2. Lösungsansätze

2.1 Analyse von Konflikten
(M 2, siehe Seite 6)

Die Analyse von Konflikten kann schon ein Teil der Lösung sein. Bei genauerem Nachfragen wird der Konflikt transparent. Die Hintergründe werden verständlicher. In manchen Fällen hilft das bereits, um eine gemeinsame Lösung zu finden.

2.2 Kommunikation in Konflikten
(M 3 und M 4, siehe Seite 7 und 8)

Eine ganz wichtige Funktion im Umgang mit Konflikten hat die Kommunikation, verbal und nonverbal. Oft kommt noch eine emotionale Erregbarkeit dazu, die sich auch in der Kommunikation zeigt. Wir sagen verletzende Worte, hören nur die Hälfte, deuten vorschnell und bringen damit den Konflikt zur Eskalation. Wenn die Worte ausgehen, wir „sprach-los“ werden, bekommt die physische Gewalt ein leichtes Spiel. Gewalt ist aber keine faire Art, Konflikte aufzulösen. Daher ist es wichtig, die Kommunikation zu schulen: Kritik weniger verletzend anzubringen, ehrlich auch eigene Gefühle zu benennen, Kritik ohne sofortige Abwehr anzuhören, genau dem anderen zuzuhören usw. (Übungen und Regeln siehe Arbeitsblatt).

2.3 Mediation in Konflikten

Es gibt aber auch Konflikte, in denen die Beteiligten nicht mehr miteinander sprechen können oder wollen. Dann kann die Hilfe eines neutralen Dritten sinnvoll sein. Dieser Mediator soll den Konflikt nicht lösen. Er unterstützt, so dass die Parteien wieder miteinander sprechen können, um selbst die beste Lösung zu finden. Inzwischen gibt es ausgebildete Mediatoren, die gegen Honorar Konfliktlösungen begleiten.

2.4 Sich trennen in Konflikten

Es gibt auch Situationen, in denen die Konfliktparteien keinen gemeinsamen Willen zur Lösung haben. Oft ist der Leidensdruck zwischen den Parteien unterschiedlich hoch. Das kann dazu führen, dass ein Konfliktpartner stark unter dem Konfliktgeschehen leidet, während der andere den Konflikt als wenig bedeutend einschätzt und deshalb auch kein Interesse an einer Lösungssuche mitbringt. Dann gibt es immer noch den Weg, bewusst auseinander zu gehen, um so den eigenen Leidensdruck abzubauen. Zu gehen ist da keine Schande!

2.5 Machtpositionen in Konflikten

Unterschiedliche Machtpositionen der Konfliktparteien erschweren eine faire Lösung. Deshalb sollte geprüft werden, welche Möglichkeiten es gibt, das Machtgefälle zu verringern. Eltern können sich auf Augenhöhe der Kinder begeben und so mehr Verständnis für das in jedem Falle „schwächere“ Kind zeigen. In vielen Abhängigkeitsverhältnissen zwischen Erwachsenen ist dies aber kaum umsetzbar. Die Möglichkeit, einen Konflikt fair auszutragen und eine für beide Konfliktparteien befriedigende Lösung zu finden, hat dann sehr geringe Chancen. Wir können also auch als Verlierer oder als „Schuldiger“ aus einem Konflikt gehen. Manchmal kann es Jahre dauern, bis die Konfliktparteien wieder miteinander reden können, manchmal geht es nie mehr. Aber ein Versuch zur Aussöhnung sollte immer gemacht werden.

2.6 Strategien zur Lösung von Konflikten erlernen
(M 1, siehe Seite 5)

Wenn Konflikte ganz normal zu unserem Zusammenleben gehören, sollte es auch normal sein, in fairer Weise Konflikte zu lösen. Aber das müssen wir im Laufe unseres Lebens erlernen. Wir übernehmen dies als Heranwachsende von den uns umgebenden Erwachsenen. Womit wir Erfolg haben, verinnerlichen wir und wenden es – bewusst oder unbewusst – immer wieder an. Das müssen nicht immer die besten Lösungen sein. Deshalb lohnt es sich, genauer wahrzunehmen, wie wir uns in Konflikten verhalten, wie zufrieden wir mit den Lösungen sind und welche Leidenserfahrungen wir bei uns feststellen? Wir sollten uns fragen, ob es sinnvoll ist, andere Strategien zu erlernen.

Mit diesen knappen Ausführungen kann nur ein Anstoß gegeben werden, sich intensiver mit der Lösung von Konflikten zu beschäftigen. In schwierigen Fällen sollte man den Mut haben, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das vorliegende Material kann aber hilfreich sein, sich präventiv mit Analyse, Kommunikation und weiteren Lösungswegen zu beschäftigen und diese zu üben.

M 1 Konfliktstrategien4

Ziel:

Die Teilnehmer/innen werden sich dem Gebrauch ihrer eigenen unterschiedlichen Strategien im Umgang mit Konflikten bewusst. Gleichzeitig wird verdeutlicht, dass jeder Mensch sich in verschiedenen Situationen unterschiedlicher Strategien bedient. Dabei hat jede Strategie ihre Vor- und Nachteile, die durch diese Übung erkannt werden sollen.

Zeitdauer:

insgesamt ca. 45 Minuten

Personenzahl:

Günstig sind mindestens 12 Personen.

Material:

  • 5 Plakate in mindestens A3-Größe
  • Beschriftung auf vier Plakaten: Konfliktstrategie: direkt darunter Vorteile und ungefähr in der Mitte Nachteile
  • mindestens vier Edding-Stifte
  • ausreichend Platz

Durchführung:

Zunächst wird das Plakat ohne Aufschrift in die Mitte eines Raumes gelegt. Dazu ausreichend Edding-Stifte. Die Teilnehmer/innen bekommen durch den Spielleiter/die Spielleiterin die Aufgabe, alle Konfliktbewältigungsstrategien auf das Plakat zu schreiben, die sie selber anwenden bzw. die ihnen einfallen. Mehrfachnennungen werden jeweils mit einem Strich versehen. Wenn kein/e Teilnehmer/in mehr schreiben möchte, werden alle Strategien noch einmal laut vorgetragen und es kann hinterfragt werden, was unter unklaren Nennungen zu verstehen ist.

Anschließend werden die vier am häufigsten genannten Strategien auf die vier anderen Plakate geschrieben. Die Teilnehmer/innen ordnen sich daraufhin gleichmäßig je einer Strategie zu. In Gruppenarbeit diskutieren die Teilnehmer/innen nun Vor- und Nachteile der jeweiligen Strategie und schreiben sie auf. Im Plenum werden die Ergebnisse vorgestellt und diskutiert.

Auswertung:

Gibt es eine optimale Strategie für den Umgang mit Konflikten?
Was lässt sich aus den Ergebnissen schlussfolgern?

M 2 Analyse von Konflikten

Ziel:

Eine Konfliktanalyse hilft dabei, den Konflikt differenzierter wahrzunehmen, ihn von außen und aus Sicht der anderen beteiligten Konfliktparteien zu sehen. Darüber hinaus entstehen bei der Analyse schon erste Ansätze zur Konfliktlösung. Mit der Analyse sollen Dinge sichtbar gemacht werden, die für das Verständnis des Konfliktes wichtig sind, aber wie bei einem Eisberg unter dem Wasser liegen und somit nicht sofort wahrgenommen werden.

Eine Konfliktanalyse kann von einer dritten Person, aber auch von einer der beteiligten Konfliktparteien erstellt werden. Sind alle beteiligten Parteien dazu bereit, kann die Analyse auch als ein möglicher Lösungsansatz verwendet werden.

Zeitdauer:

solange, wie benötigt

Material:

  • große Bögen Papier
  • Stifte

Durchführung:

Gemeinsam werden die folgenden Fragen beantwortet und wichtige Ergebnisse festgehalten. Dies kann auch mit Hilfe eines neutralen Moderators/einer Moderatorin geschehen.

  1. Konfliktdefinition – WAS?
    Worum geht es bei dem Konflikt?
    Konflikt
  2. Konfliktparteien – WER?
    Wer ist sichtbar daran beteiligt?
    Konfliktparteien
    Welche Unterstützung haben die Parteien?
    eventuelle weitere Parteien
    Welche Gefühle spielen eine Rolle?
    Gibt es psychische Besonderheiten bei den Parteien?
    Welche Beziehungen/Abhängigkeiten bestehen zwischen den Parteien?
    Beziehungen/Machtverhältnisse
  3. Konfliktgeschichte/Verlauf – WIE?
    Wie ist der Konflikt entstanden?
    Welche Vorgeschichte gibt es?
    Geschichte/Vorgeschichte
    Wie hat sich der Konflikt entwickelt?
    Verlauf
    Gibt es Nebenkonflikte/Konfliktverschiebungen?
  4. Konflikthintergründe – WARUM?
    Welche Interessen/Ziele verfolgen die Parteien?
    Gewinn/Verlust
    Welche Werte/Kulturen/Traditionen spielen eine Rolle?
    Werte
    Welche Informationen sind den Parteien bekannt?
    Informationsverlust
    Gibt es äußere Zwänge?
  5. Lösungsansätze – WIE WEITER?
    Gibt es gemeinsame Interessen der Konfliktparteien?
    Lösungsansätze

Auswertung:

In einer anschließenden Auswertung wird zusammengetragen, was deutlicher geworden ist, welcher mögliche Lösungsansatz sich gezeigt hat und wie weiter in dem Konflikt verfahren werden soll.

M 3 Aktives Zuhören

Ziel:

Mit dieser Übung lernen die Teilnehmenden, wie wichtig es ist, genau hinzuhören. Sie erfahren, dass Gehörtes vorschnell interpretiert werden kann und eventuell daraus falsche Schlüsse gezogen werden, die in einer emotional aufgeheizten Konfliktaustragung eskalierend wirken können. Ebenso kann die Bedeutung von gelungener Kommunikation in Konflikten sichtbar werden.

Material:

genügend Platz, damit sich die Kleingruppen ungestört im Raum verteilen können

Zeit:

zwischen 30 – 60 Minuten

Teilnehmerzahl:

eine in Vierer-Gruppen teilbare Anzahl

Ablauf:

Die Gruppe wird in Kleingruppen von 3- 4 Personen aufgeteilt.
Die Gruppe teilt sich auf in:
A – Erzähler
B – reflektiertes Zuhören auf der Sachebene
C – reflektierendes Zuhören auf emotionaler Ebene
D – Beobachter
Bei kleineren Gruppen kann D wegfallen und es werden nur Dreiergruppen gebildet.

Aufgabe:

A erzählt, wie er den letzten Sonntag/das letzte Wochenende/den letzten Urlaub/den letzten Arbeitstag verbracht hat, wobei Emotionen ins Spiel gekommen sind (Zeit etwa 2 Minuten).

Die Zuhörer B und C spiegeln nacheinander A, was sie gehört haben, indem B den sachlichen Inhalt mit seinen Worten kurz wiederholt und C das Emotionale.

A wird sagen, ob es richtig gehört wurde.

D fasst danach zusammen, was ihm an A, B und C aufgefallen ist. Auch die nonverbale Wahrnehmung sollte gespiegelt werden. Was haben B und C sich gemerkt, was wurde vergessen, was wurde sichtbar? (Zeit insgesamt maximal 8-10 Minuten)

Danach wechseln die Personen, jeder wird einmal A und alles beginnt von vorn.

Es folgt eventuell noch eine Auswertung aller Gruppen im Plenum.

M 4 Kommunikation in Konflikten

Regeln für Kommunikation in Konflikten
Ein nicht ausgetragener oder verdrängter Konflikt belastet die Beziehung. Kommunikation wird schwierig oder es tritt sogar Sprachlosigkeit ein. Eine gelungene Kommunikation ist andererseits wichtigstes Mittel zur Konfliktlösung.

Folgendes sollte bei der Kommunikation beachtet werden:

  • Nehmen Sie die Meinung des anderen bewusst wahr, machen Sie ihm deutlich, was angekommen ist, fragen Sie bei Unklarheiten noch einmal nach.
  • Verwenden Sie „ICH“-Botschaften statt „DU“-Botschaften.
  • Stellen Sie auch Ihre eigene Haltung in Frage.
  • Drücken Sie sich klar und verständlich aus, verbal und nonverbal.
  • Lassen Sie den anderen aussprechen und hören Sie ihm aufmerksam zu.
  • Nehmen Sie Ihre eigenen Gefühle ernst und zeigen Sie sie auch Ihrem Gegenüber.
  • Lassen Sie Kritik an Ihnen zu, ohne sich gleich verteidigen zu müssen.
  • Vermeiden Sie „Schwarz-Weiß-Malerei“.
  • Behalten Sie den Hauptkonflikt im Blick.
  • Unterscheiden Sie zwischen dem Konflikt und den beteiligten Personen.
  • Ziehen Sie keine vorschnellen Schlüsse, sondern versuchen Sie auch den anderen zu verstehen.


Fußnoten

1 aus: Jamie Walker, Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Sekundarstufe I. Spiele und Übungen. 1995. Berlin, S. 23., nach Plakat von Quaker Peace and Service, London

2 Duden Die deutsche Rechtschreibung, 24. Auflage 2006

3 Nach: Besemer, Christoph: Mediation – Vermittlung in Konflikten. Freiburg (1993), S. 28

4 Quelle/ Verweis auf ähnliche Übungen: Walker, Jamie (1995): Gewaltfreier Umgang mit Konflikten in der Sekundarstufe I. Spiele und Übungen. Frankfurt a. M.: Cornelsen Scriptor, S. 138f.